Sicherer und grüner – Hochwasserschutz und neue Lebensräume am Nußdorfer Steinbach

Nußdorf – Mit einem Festakt ist in der vergangenen Woche der neue Hochwasserschutz am Steinbach in Nußdorf am Inn eingeweiht worden.
Staatsminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), Landrat Otto Lederer, Bürgermeisterin Susanne Grandauer (CSU/FWG) sowie Vertreter des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim unter Leitung von Dr. Tobias Hafner würdigten die Maßnahme, die die Gemeinde künftig vor einem sogenannten hundertjährlichen Hochwasser bewahren soll. Hafner betonte, dass die Baustelle im Wasserwirtschaftsamt Rosenheim selbst geplant und von der Flussmeisterstelle im Bauaufsehermodell umgesetzt worden sei. Leistungen, die nicht in Eigenregie erbracht werden konnten, wie etwa die Anlieferung großer Steine, wurden vergeben. Das Projekt sei mit 3,5 Millionen Euro veranschlagt worden, und schon jetzt zeichne sich eine Punktlandung bei den Kosten ab. Sein besonderer Dank galt dem Bauleiter Josef Hamberger. Zugleich räumte Hafner ein, dass man trotz aller Maßnahmen die Natur nicht vollständig beherrschen könne – das Starkregenereignis im Sommer 2024 mit seinen verheerenden Ausmaßen hat uns Demut gelehrt.
Auch Staatsminister Thorsten Glauber würdigte das Werk und vor allem die Menschen, die es geschaffen haben. Er hob die Mitarbeiter der Flussmeisterstellen hervor, die an 365 Tagen im Jahr rund um die Uhr für die Bürger im Einsatz seien – „stille Helden“, wie er sie nannte. Er lobte zudem die Gemeinde Nußdorf und ihre Verwaltung, die vor Ort staatliche Maßnahmen nicht nur umsetzen, sondern auch erklären und vertreten müssten. Der Minister stellte heraus, dass ein solcher Ausbau des Hochwasserschutzes am Ende bedeute, dass Feuerwehren und THW künftig seltener zu Hochwassereinsätzen gerufen würden.
Besonders persönlich wurde anschließend die Ansprache von Bürgermeisterin Susanne Grandauer, die den Hochwasserschutz am Steinbach als „eine große Gemeinschaftsaufgabe“ bezeichnete. Sie erinnerte daran, dass die Planungen bereits 2014 nach dem Hochwasser von 2013 begonnen hatten. „Wir Nußdorfer haben in den vergangenen Jahren viel Geduld bewiesen, bis dieses Projekt Realität werden konnte“, sagte Grandauer. Der Finanzierungsvertrag mit dem Freistaat wurde 2019 geschlossen, die Gemeinde trägt rund 21 Prozent der Gesamtkosten von 3,5 Millionen Euro und stellt die benötigten Grundstücke zur Verfügung. „Es geht vor allem um Sicherheit, aber auch die ökologische Verbesserung gilt als Schwerpunkt im Ausbau, gleichzeitig wurde aber auch an die Lebensqualität und das Wohlbefinden unserer Gemeindemitglieder gedacht. Der Steinbach ist zu einem Erholungsraum für die Bürgerinnen und Bürger geworden“, betonte die Bürgermeisterin.
Grandauer skizzierte auch den Baufortschritt: Der erste Bauabschnitt wurde 2022 fertiggestellt, der zweite im Mai 2024 abgeschlossen, lediglich Pflanzungen stehen noch aus. Der dritte Abschnitt läuft seit Frühjahr 2024 und soll bis Herbst 2025 beendet sein. Zum Abschluss dankte die Bürgermeisterin allen beteiligten Fachleuten und Institutionen und verband ihre Worte mit einem klaren Appell: „Das Mühltal ist für unsere Gemeinde von besonderer Bedeutung. Ich bitte deshalb den Herrn Staatsminister, auch dort höchste Förderquoten und eine schnelle Umsetzung der Schutzmaßnahmen zu ermöglichen.“
Den kirchlichen Rahmen der Feier setzte Pfarrer Christoph Rudolph von der Pfarrgemeinschaft Neubeuern-Nußdorf, der das Bauwerk segnete und die Hoffnung aussprach, dass es den Menschen Schutz und Zuversicht geben möge. Mit dem Segen verband der Geistliche den Wunsch, dass die Gemeinde trotz aller technischen Maßnahmen auch weiterhin im Vertrauen auf Zusammenhalt und gegenseitige Hilfe gestärkt bleibe.
Seit 2020 wurde der Steinbach, ein Wildbach, der am Nordhang der Hochries entspringt und bei Nußdorf in den Inn mündet, in mehreren Bauabschnitten ausgebaut. Die Uferbefestigungen wurden erneuert, Deiche zurückverlegt und auf einer Länge von mehreren hundert Metern bis zu 20 Meter vom Bach abgerückt. Dadurch entstand mehr Platz für das Wasser, das im Extremfall bis zu 73 Kubikmeter pro Sekunde schadlos abfließen kann. Zudem wurden starre Abstürze in strukturreiche Rampen verwandelt, die für Fische und Kleinstlebewesen passierbar sind, Böschungen mit Blumenmischungen bepflanzt. Nach dem Hochwasser vom Juni 2024, das zusätzliche Schäden an Uferböschungen hinterließ, laufen ergänzende Instandsetzungsarbeiten.
Wie notwendig die Schutzmaßnahmen sind, zeigte sich erst im vergangenen Sommer: Innerhalb von drei Tagen fielen im Gemeindegebiet fast 200 Liter Regen pro Quadratmeter. Die Wildbäche traten über die Ufer, Straßen wurden überflutet und beschädigt, Verbauungen mitgerissen. Auch der Steinbach führte enorme Wassermengen, blieb in den neu gestalteten Abschnitten aber beherrschbar. Seine erste Bewährungsprobe bestand der Bach bereits im Juni, als 75 Kubikmeter Wasser pro Sekunde durch das Bett rauschten.
Die Geschichte des Steinbachs ist eng mit Hochwassern verknüpft, die den Ort immer wieder heimsuchten. Ältere Einwohner erinnern sich an den 7. Juli 1987, als der höchste Wasserstand gemessen wurde und die Brücke am Seilenauweg in Gefahr geriet. Am 2. Juni 2013 traten nach heftigen Regenfällen 41,9 Kubikmeter pro Sekunde aus – ein Ereignis, das die Planungen für den verstärkten Hochwasserschutz entscheidend vorantrieb. Besonders dramatisch war der 4. August 2020: Dauerregen und Zuflüsse aus den Seitenbächen ließen den Pegel auf 156 Zentimeter steigen, der Abfluss erreichte 56,7 Kubikmeter pro Sekunde. Straßen standen unter Wasser, Keller liefen voll, die Feuerwehr war im Dauereinsatz.
Diese und andere Ereignisse haben gezeigt, wie verwundbar die Gemeinde war. Mit dem neuen Hochwasserschutzprojekt ist Nußdorf nun deutlich besser gewappnet. Doch auch wenn die Deiche stabiler sind und der Bachlauf mehr Raum bekommen hat, bleibt der Steinbach ein Wildbach – und die Erinnerung daran, dass er sich in Extremsituationen jederzeit in einen reißenden Strom verwandeln kann.
Das Mühltal zwischen Nußdorf und Samerberg bleibt dagegen weiterhin gesperrt. Nach den schweren Regenfällen im Juni 2024 wurde die Gemeindestraße an mehreren Stellen komplett weggerissen und ist bis heute unpassierbar. Mit Vermessungen und einem digitalen Geländemodell bereitet das Wasserwirtschaftsamt Rosenheim die aufwendigen Sanierungsarbeiten vor, die ab 2025 beginnen sollen. Die Gemeinde appelliert eindringlich an alle Bürgerinnen und Bürger, die Absperrungen zu respektieren und nicht zu umgehen.
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Symbolischer Akt zur Einweihung des Hochwasserschutzes am Steinbach in Nußdorf am Inn: (von links) Sebastian Freisinger (MdL/CSU), Landrat Otto Lederer (CSU), MdL Josef Lausch (Freie Wähler), Staatsminister Thorsten Glauber (Freie Wähler), Bürgermeisterin Susanne Grandauer (CSU/FWG) und Dr. Tobias Hafner (Leiter des Wasserwirtschaftsamts Rosenheim) pflanzen gemeinsam einen Baum zur Erinnerung an die Fertigstellung der Schutzmaßnahmen.